Ein nicht unerheblicher Kritikpunkt, der sehr oft z.B. von Besitzern eines Martin-Logan Hybridlautsprechers wie z.B. der Aerius, der Sequel, Sequel 2, SL3, Quest, und ReQuest zur Sprache gebracht wird, ist die klangliche Schwäche der Wiedergabe in tieferen Frequenzen. Fast jeder Besitzer der oben als Beispiel genannten Modelle bemängelt mit der Zeit eine zunehmend aufgedunsene, lahme, unpräzise und so gar nicht zum (schnellen) Rest des Lautsprecher passende Basswiedergabe. Dies äußert sich klanglich besonders schlimm beim Hören von grundtonreichen Musikstücken, in denen z.B. ein gezupfter Bass oder ein Cello gespielt wird, oder auch wenn eine tiefe Männerstimme singt. Also immer dann, wenn energiereiche Musik im Übergangsbereich von tiefem Mittelton auf oberen Bassbereich wiedergegeben wird. Der Gesamtklang wird dann von geplagten Kunden oft als zu „dick“ oder „dumpf bis sumpfig“ beschrieben. Je mehr der Lautsprecher dann noch in Wandnähe aufgestellt wird, desto heftiger wird dies dann noch durch die Raumakustik negativ verstärkt.

Natürlich ist dieses Problem auch eng mit dem Hauptproblem des ESL verknüpft, nämlich dem Umstand, dass die leitfähige Beschichtung („coating“) über die Jahre immer mehr ihre Leitfähigkeit und somit Wirkungsgrad verliert und dadurch der Tieftöner gegenüber dem ESL-Paneel dummerweise akustisch immer mehr in den Vordergrund tritt. Dies ist aber nicht der alleinige Grund, wie man gut mit frisch überholten ESL-Hybriden feststellen kann: Nach der Folienrevision ist der Wirkungsgrad und die Auflösung dann zwar wieder völlig hergestellt und in der Regel selbst der damalige Neuzustand hör- wie messbar übertroffen; die Bassabteilung jedoch bleibt klanglich der qualitative Tiefpunkt des ganzen Systems. Bei der Suche nach einer Abhilfe drängt sich natürlich meist ein Ersatz für den sehr schlicht ausgeführten, originalen Tieftöner ganz oben auf der Liste der Problemlösungen.

Jedoch: Bei Messungen des kompletten Lautsprechers mit diversen anderen Tieftönertypen zeigt sich ein zusätzliches, eher grundlegendes Problem, ohne dessen Lösung auch wesentlich bessere Tieftöner wenig Sinn macht: Die Tiefpassfilterung (also die Abtrennung zu höheren Frequenzen) des Basslautsprechers ist im Originalzustand völlig unzureichend. Während die ESL-Abteilung je nach Modell ab ca. 300 und 150Hz abwärts vom Bass befreit wird, ist dem Tieftöner im Originalzustand erlaubt, nach oben in viel zu hohe Frequenzbereiche vorzudringen. Sowohl die Trennfrequenz als auch die Steilheit der Abtrennung sind absolut nicht ausreichend. Somit kommt es zu einer breiten Überlappung und somit mangelnden Trennung zwischen dem Tieftöner und dem ESL-Panel, mit entsprechenden Verfärbungen in diesem Frequenzbereich.

Sind Sie Besitzer solch eines Hybrid-Elektrostaten? Machen sie einen einfachen Test: Lassen Sie eine CD, eine Schallplatte oder eine sonstige Tonquelle mit einem Musikstück spielen, in welchem eine Frauenstimme singt. Gehen sie nun mit einem Ohr bei gemäßigter Lautstärke in unmittelbare Nähe des Tieftöners und achten sie darauf, wie hoch die Frequenzen sind, welche sie aus diesem noch hören. Noch deutlicher (und schonender für den Rücken) wird es, wenn sie an ihrem Bi-wiring-Terminal die Brücken entfernen und den Verstärker nur an den Klemmen des Tieftöners anschließen. Die höheren Lagen der Stimme sind erschreckend deutlich über den eigentlichen „Bass“-Lautsprecher hörbar.

Was dies nun messtechnisch bedeutet, zeigen wir Ihnen im Folgenden am Beispiel einer Martin Logan Quest.

Anmerkung zu den Messbedingungen: Es wurde im Abstand von nur 10mm vor der Tieftöner-Membran im Sinusmodus gemessen, um Raumeinflüsse sicher auszuschließen (Direktschall-Nahfeldmessung). Die Messung wurde aus Gründen der höheren Auflösung auf den Bereich von 10Hz bis 2000Hz begrenzt; das hier gemessene, sehr hohe Schalldruckniveau am Messmikrofon ist durch den sehr geringen Messabstand bedingt.

Hier zuerst der reine Frequenzgang des originalen Tieftöners der Martin Logan Quest, ohne jegliche Frequenzweiche (also ohne das originale Tiefpassfilter):

 

 

Wie man sieht, zeigt der Tieftöner zu höheren Frequenzen die ausgeprägte Neigung immer lauter zu werden. Der lauteste Punkt liegt im Messbereich bei ziemlich genau 1000Hz, also voll im Mitteltonbereich, und überragt somit den Schalldruck bei 100Hz um fast 10dB. Bei der Auslegung einer passenden Frequenzweiche mit einer Tiefpassfilterung mit Trennfrequenz von ca. 150Hz, sollte man auf diese 1000Hz-Spitze dann besonderes Augenmerk legen, da sie sich sonst später in den Mitteltonbereich einmischt und dort Probleme verursacht.

Diese Spitze wird im Übrigen durch die in Resonanz geratene Staubschutzkappe in der Mitte der Bassmembran verursacht.

Hier nun der Frequenzgang des originalen Tieftöners mit der originalen Frequenzweiche, also genau so, wie eine originale Quest den Bass wiedergibt. Der Schalter „Basscontour“ war hier schon aktiviert, wie das wohl 90% der Questbesitzer machen, um den Bass damit einigermaßen in Schach zu halten:

 

 

Das Problem und die Herkunft der hohen Frequenzen aus der originalen Tieftonabteilung der Quest, dürfte nach dieser Messung somit klar sein: Die schon im ungefilterten Frequenzgang deutlich hervortretende Spitze bei 1000Hz wird hier völlig unzureichend bedämpft. Die Trennfrequenz von rund 150Hz wird zwar eingehalten, jedoch wurde das Verhalten im Bereich über 350Hz bei der Auslegung scheinbar überhaupt nicht berücksichtigt.

Zur Lösung des „ich-hör-Stimmen-über-den-Tieftöner“ Problems kommt man also nicht umhin, das Filter neu zu entwerfen. Ziel muss dabei sein, die Trennfrequenz von 150Hz zwar einzuhalten, aber dabei auch eine zu hohen Frequenzen schön gleichmäßig  abfallende Schalldruckkurve zu bekommen, welche nicht nochmal im Pegel bei höheren Frequenzen zulegt.

Wir entwarfen solch ein Tiefpass-Filter nach genau dieser Anforderung. Nach einigen Entwürfen und Versuchen stand die grundlegende Abstimmung fest. Diese ließ sich so messen:

 

 

Die Spitze bei 1000Hz, welche sich in der originalen Abstimmung gerade mal -9dB unter dem Wirkungsgrad des Tieftöners bei 70Hz befand und dadurch nervig aus dem Gesamtklangbild heraus zu hören war, ist mit der neuen Abstimmung nun 31dB leiser als zuvor, also sehr gut bedämpft. Im Hörversuch war sie nun nicht mehr als Störspitze identifizierbar und der Tieftöner macht nun wirklich nur noch Tiefton: Es ergibt sich nun eine ab 70Hz wunderschön gleichmäßig abfallende Schalldruckflanke mit einer Eckfrequenz (-6dB) bei ca. 150Hz und ohne jeglichen, späteren Anstieg. Das Klangbild wirkt nun regelrecht entschlackt und wesentlich transparenter. Da der Tieftöner sich nun nicht mehr so enorm im Mittelton einmischt, ist er nun auch nicht mehr so stark räumlich zu orten wie zuvor und zieht die Ortung nun nicht mehr auf sein Niveau knapp über dem Fußboden herunter: Die räumliche Abbildung wird wesentlich fokussierter, luftiger und ist deutlich aufgeräumter.

Die Bauteile der Modifikation ersetzen die originalen Bauteile der ursprünglichen Tiefpass-Schaltung der Elektronik des Lautsprechers. Vorteilhafterweise ist sie dadurch in der originalen Elektronik unter zu bringen, so dass die Basscontour-Schaltung auch weiter benutzt werden kann. In der letzten Messung oben wurde ohne diese Schaltung gemessen, weil das neue Tiefpassfilter zum Zeitpunkt des Versuchs und der Messung noch extern aufgebaut war. Wäre die Basscontourschaltung aktiv gewesen, hätte der gemessene Pegel und Frequenzgang dem der originalen Beschaltung im Bereich von 10 bis 150Hz entsprochen. Und zum Glück nur dort, also ohne die Mittelton-Probleme der originalen Beschaltung.